Wie er auf den Glaubenberg kam
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht Mitteleuropa vor grossen gesellschaftlichen Spannungen. Die Neue Deutsche Rechtschreibung wurde lanciert. Doch namhafte Poeten und Schriftgelehrte weigerten sich, die neue Schreibweise anzuerkennen, ebenso wie die Herausgeber verschiedener Zeitungen und Zeitschriften. So verständigten sich die einen in Neudeutsch, andere in Zeitungsverlagsdeutsch und wieder andere in der SMS-Sprachenvariante.
Dies führte immer häufiger zu sprachlichen Missverständnissen. Kein Wunder machte bald eine Geschichte die Runde, die das Leben in Obwalden verändern sollte.
Angefangen hatte alles im Jahre 2005 mit dem Erscheinen eines Braunbären im Schweizerischen Graubünden. Schon allein die Tatsache, dass in der Schweiz ein Bär ausserhalb eines Geheges bewundert werden konnte, war für viele eine Reise wert.
Und bald schon folgte die nächste Meldung. Ein Journalist veröffentlichte einen Bericht über verschiedene Bäeren in Obwalden. Die Heimischen hätten ihm von Erd- und Preiselbäeren erzählt, die in den Moorgebieten leben sollten. Ein Wissenschaftler untersuchte daraufhin im Rahmen einer Regionalfondsstudie diese Behauptungen und fand heraus, dass es sich bei den Obwaldner Bäeren um ganz besondere Früchtchen handeln musste.
Die Heubäeren seien blau und würden oft zusammen mit Rauschbäeren angetroffen. Auf einem Gipfel mit Namen Bärenturm sei ein fleischfressender Vogelbäer gesichtet worden und in Obwalden gäbe es eine Spezialität zu der sogar Wacholderbäeren mitgekocht würden.
Auch der Wissenschaftler veröffentlichte das Gehörte und es dauerte nicht lange, bis Obwalden überschwemmt wurde von neugierigen und erlebnishungrigen Besuchern. Dadurch kursierten bald weitere unglaubliche Geschichten.
Die Moosbäeren seien Vegetarier und schon bei der Schlacht am Morgarten hätten sie sich im Moorgarten gütlich getan. Ein Himbäer habe einmal einen Frauenverein derart erschreckt, dass die Frauen in alle Richtungen flüchteten und bis heute nirgends mehr gesehen wurden. Ein Rauschbäer sei beim Durchqueren eines Hochmoors in einem Schneefeld erfroren, ein Wacholderbäer als Fleischfresser halb verhungert an die Gestade eines Flachmoors gelangt und dort im Blumenmeer ertrunken.
Ein Erdbäer habe in der Baumschule den Geschichtsunterricht geschwänzt und und sei zur Strafe eine ganze Nacht lang in eine Schlangengrube gesperrt worden.
Viele dieser Geschichten gingen als Binsenwahrheiten um die Welt und lockten Menschen von überall zum Glaubenberg.
Die Obwaldner gaben ihre bisherigen Tätigkeiten auf und spezialisierten sich auf die Betreuung der Besucher. Entlang der Autobahn entstanden Imbiss-Stände und statt Gras gemäht wurden Parkplätze verwaltet.
Auf dem Bäerenmarkt in der Talschaft boten Frauen Heidelbäerkonfitüre und andere Spezialitäten an. Es entstand ein Bäeren-Informationszentrum. Förderbeiträge zur Besucherlenkung wurden gesprochen. Es gab Bäerenführungen, Bäerentagungen, Bäerenerlebniswochen und vieles mehr.
Dem Grossen Bäeren ist dies aber schon früh zu viel geworden und er floh nach Norden. Dort ist er in klaren Nächten das ganze Jahr über am Himmel zu beobachten.
Falls Sie nun glauben, Ihnen sei hier ein Bär aufgebunden worden, überprüfen Sie die Angaben doch selber. Besuchen Sie den Moorbäerpfad auf dem Glaubenberg und tauchen Sie ein in die wundersame Welt der Bäeren und anderen Naturphänomene.